„Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind. Aber noch mehr Menschen wissen nicht, dass sie glücklich sind.“ -Albert Schweitzer

Heutzutage ist das Streben nach dem Glück zu einer Art Volkssport geworden. Es gibt unzählige Bücher, Blogs, Artikel, Vorträge und Ratgeber darüber, wie man scheinbar ganz schnell und einfach glücklich werden kann. In 5 Schritten, in 2 Wochen, mit diesen ganz speziellen Tropfen oder durch Handauflegen, Yoga oder Fasten.

Doch was bedeutet dieses Glücklichsein, wonach jeder so strebt? 

Ich weiß wie es ist, unglücklich zu sein. Sehr unglücklich. Und ich weiß, wie es sich anfühlt, sehr glücklich zu sein.

Nach meinem Unfall war ich noch guter Dinge, dass das was mir passiert war, nicht so schlimm sei. Dass das alles schon gehen und mein Leben sich kaum verändern würde. Ich baute mir in der Zeit meiner Reha eine kleine, heile Gedankenwelt. War ich doch so gut umsorgt, 24 Stunden war jemand da. Alles barrierefrei, kaum Zeit zum Nachdenken. Doch als ich nach 7 Monaten zurück nach Hause kam, holte mich die Realität mit voller Wucht ein. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, was eigentlich passiert war. Wie abhängig und auf Hilfe angewiesen ich plötzlich war. So viele Dinge, die ich nicht mehr tun konnte, so viele Orte, die unerreichbar für mich wurden. Ich wusste nicht mehr, was ich mit mir anfangen sollte, wer ich wirklich war. Fühlte mich nutzlos, traurig, allein. Hatte Angst vor der Zukunft. Aus dieser Zeit weiß ich genau, wie es sich anfühlt, unglücklich zu sein. Sehr unglücklich. Ich war am Tiefpunkt.

Doch ich wusste, dass ich all diese tristen Gefühle zulassen, aber sie nicht Überhand nehmen durften. 

Ich habe dann damit begonnen, nicht mehr in der Vergangenheit zu leben und mich nicht mehr auf die Sachen zu konzentrieren, die ich nicht mehr konnte. Ich begann herauszufinden, worin meine Stäken liegen und was ich immer noch machen konnte. Ich suchte neue Aufgaben für mich und setzte mir Ziele. So probierte ich in dieser Zeit viele Sachen aus und machte eine Art Selbstfindungsprozess durch. Auch beschäftigte ich mich intensiv mit dem Buddhismus. Darauf, die kleinen Dinge im Leben zu schätzen, mit sich im Reinen zu sein, innere Ruhe zu finden, das Schöne sehen zu können. 

Kurz gesagt, ich lernte damals über das Glück.

Was bedeutet nun das Glücklichsein für mich?

Glücklichsein ist für mich ein Gefühl von Unbeschwertheit. Es fühlt sich sonnig und warm an. Ausgeglichen, ausgelassen, leicht. Wie ein spielendes Kind im Sonnenuntergang. Ein wohliges Gefühl von Zufriedenheit und Sorglosigkeit. Meeresrauschen, eine Sommerbrise im Haar, das Flügelschlagen eines Schmetterlings. Bedingungslose Liebe und unbändiges Vertrauen.

Ich denke, man muss wieder lernen, diese Gefühle bewusst wahrzunehmen. Dann hat man die Chance, tagtäglich Glücksmomente zu erleben. 

Doch wie erreicht man diese Gefühle?

Mein Weg bestand darin, diesen Selbstfindungsprozess durchzumachen. Man muss sich einmal intensiv mit sich selbst beschäftigen. Zu sich finden. Sich fragen, was man im Leben wirklich erreichen will. Was man machen will und was einem wichtig ist.

Man sollte träumen, Visionen haben. Und sich Ziele setzen.

Ich habe auch einen groben Lebensplan, den sollte sich jeder in irgendeiner Art und Weise zurechtlegen. Einige Ziele in naher Zukunft, einige, die kommen mit den grauen Haaren. Auf meiner Liste stehen zB meine Ausstellung in Indien nächstes Jahr. Ein eigenes Buch. Ein kleines Haus im Süden, denn die Tiroler Winter mag ich gar nicht. Eine Hochzeit und ein Kind. 

Klar ist mein Leben nicht immer rosarot und ich bin bestimmt nicht immer glücklich. Ein Leben mit so einer hohen Querschnittslähmung ist nicht einfach. Und manchmal bin ich auch unendlich genervt, wenn das Internet spinnt, das Wetter schlecht ist oder sich ein Pickel in meinem Gesicht platziert.

Aber doch versuche ich, immer optimistisch zu sein, immer positiv in jeden Tag zu starten. Unsere Energie folgt unserer Aufmerksamkeit. Wir alle verspüren negative und positive Gefühle und jeder von uns hat Einfluss auf sein Gefühlsleben. Wir „füttern“ unsere Gefühle, seien es negative wie Ängste und Ärger, oder positive wie Freude und Hoffnung, durch unsere Gedanken. Wir können unsere Gefühle ändern, in dem wir lernen, anders zu denken.

Würde ich mich darauf konzentrieren, dass ich meine Finger nicht mehr bewegen kann, auf Hilfe angewiesen bin, nicht tanzen, springen und laufen kann, wäre ich wohl ein sehr trauriger Mensch. Ich hingegen konzentriere mich darauf, dass ich wieder selbständig in mein Bett überwechseln kann, einen perfekten Lidstrich hinbekomme, eine tolle Familie habe und meinen besten Freund lieben darf.

Man sollte seinen Fokus ganz einfach auf das Schöne, statt auf Probleme richten. Jeden Moment leben, bedingungslos lieben und jeden Tag lachen.

Alles Liebe,

Tina

Tina Hötzendorfer
Getaggt: Gedanken